Unser Boden braucht eine Lobby

Mit großer Selbstverständlichkeit verwandeln wir tagtäglich Wald-, Wiesen-, Garten- oder Ackerland in Baugebiete – in Deutschland die Fläche von über 90 Fußball-feldern täglich. Das ist etwa das Doppelte dessen, was sich die Bundesregierung in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie für das Jahr 2020 zum Ziel gesetzt hatte. Die Folgen wurden lange unterschätzt. Doch jetzt regt sich wachsender Widerstand – über-regional organisiert zum Beispiel im Bundesbündnis Bodenschutz.

Nicht nur entlang der Bergstrasse, vor Heidelberg, vor Mannheim, sondern überall zeugen inzwischen großflächig versiegelte Gewerbegebiete und Siedlungsflächen von einer Entwicklung, die stärker zu Klimawandel und Artensterben beiträgt, als gemeinhin bekannt ist. Landwirtschaftliche Flächen werden allgemein als Flächenreserve für andere Nutzungen gesehen.  Gesunde Böden sind aber nicht nur wesentlicher Faktor der Nahrungskette für Menschen und Tiere und wichtig für die Grundwasserneubildung. Sie sind auch der größte CO2-Speicher überhaupt. Weithin unbekannt ist leider die Tatsache, dass einmal überbauter Boden für Jahrhunderte biologisch nahezu tot ist. Vielleicht auch deshalb werden viel zu oft bisher unbebaute Flächen mit leichter Hand als Bauland ausgewiesen.

Boden hat ein Imageproblem – er ist scheinbar unbegrenzt verfügbar, hat weder Kulleraugen noch ein seidiges Fell, die unsere Schutzreflexe wecken könnten. Um so wichtiger ist es, uns die Bedeutung eines sorgsamen Umgangs mit dieser wichtigsten aller Ressourcen aktiv vor Augen zu führen.

Noch immer gibt es Entscheider in Politik und Wirtschaft, die eine überwunden geglaubte Idee nicht aufgegeben haben: Wachstum um jeden Preis soll als Allheilmittel herhalten. Mit Standard-Argumenten – Arbeitsplätze und Steuereinnahmen – werden langfristige Auswirkungen verdrängt.

Derzeit sind zum Beispiel allein in Südhessen 12.300 Hektar von Überbauungsplanspielen betroffen – diese Fläche weist das ‚Regionale Entwicklungskonzept‘ für Südhessen als ‚Pool‘ aus. Laut aktuellem Flächennutzungsplan des Regionalverbands FrankfurtRheinMain sind es allein dort 2.300 Hektar.

Auch in Weinheim, Perle an der Bergstrasse,  wurden im Sommer 2019  ca. 12,5 ha fruchtbare landwirtschaftliche Böden (Wiesen, Kaltluftentstehungsgebiet)   mit einem Bebauungsplan für Gewerbe überplant- obwohl seit über 5 Jahren ein etwa gleich großes Gewerbegebiet brach liegt. Gerade im Fall der besonders wertvollen Böden in der Rheinebene stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit solcher Pläne.

Allerhöchste Zeit also, die Politik von der Notwendigkeit neuer Prioritäten zu überzeugen. Das Bundesbündnis Bodenschutz ist ein erster Schritt dazu – und der Weltbodentag am 5.12. ein willkommener Anlass, für dessen Anliegen zu werben: Es gilt, die Anstrengungen von BürgerInnen und Institutionen zu bündeln, um das dringend erforderliche Umdenken sicherzustellen – und die Regierungen an ihre Zusagen zu erinnern.

Das Bundesbündnis lädt zum Mitmachen ein – auf www.bundesbuendnis-bodenschutz.de findet sich die stetig wachsende Liste jener Bürgerinitiativen und Institutionen, die bereits ihre Arbeit vernetzen, sich gegenseitig unterstützen und Aktivitäten koordinieren.