Bei Diskussionen um Sinnhaftigkeit und Nutzen weiterer Gewerbegebiete wird unweigerlich ziemlich schnell das Themenfeld Steuern erreicht.
Hier präsentieren wir aktuelle, aber noch nicht abgeschlossene, Überlegungen von Thilo Sekol.
Die Mär von der Gewerbesteuer
Warum neue Gewerbegebiete keinen großen Mehrwert bringen aber jede Menge Kosten
Es wird immer wieder behauptet, dass ein Gewerbegebiet zu positiven Einnahmen bei der Gewerbesteuer führt. Es soll kurz erläutert werden, warum dem mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht so ist. Dies hängt u.a. mit dem kommunalen Finanzausgleich zusammen. Dies soll vereinfacht kurz dargestellt werden.
Eine Erhöhung der Gewerbesteuer führt zu einer Verringerung der Schlüsselzuweisung
Der Finanzbedarf einer Kommune ermittelt sich je nach ihrer Größe bzw. der Anzahl der Einwohner. Vereinfacht ausgedrückt steht einer Kommune (fiktiv) pro Einwohner ein vom Land garantierter Betrag zu. Die Basis für die Ermittlung der Einnahmen der Kommune ist die Bedarfsmesszahl
(Bedarfsmesszahl = Betrag pro Einwohner x Anzahl Einwohner).
(Es gibt noch weitere Einnahmen der Kommunen wie z.B. zweckgebundene Mittel für Kindergärten, Investitionspauschalen, Einnahmen von Stadtwerken usw. Siehe dazu z.B. Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg. (2017). Die Gemeinden und Ihre Einnahmen. Stuttgart: Landesregierung Baden-Württemberg.)
Die Bedarfsmesszahl dient als Berechnungsgrundlage für die Ermittlung der Schlüsselzuweisung. Die Schlüsselzuweisung ist eine Unterstützung des Landes an die Kommunen, die die ermittelte Bedarfsmesszahl aus eigener Kraft mit den ihnen zustehenden Einnahmen nicht erreichen können. Von der Bedarfsmesszahl werden die Anteile der Kommune an der Einkommensteuer, Umsatzsteuer, der erhobenen Grundsteuer, der Gewerbesteuer sowie die Zuweisungen zum Ausgleich der Belastungen aus der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs abgezogen. Die Summe der Abzüge wird auch als Steuerkraftmesszahl bezeichnet und gibt die finanzielle Eigenkraft der Kommune aus den ihr zugewiesenen Einnahmen wieder.
Bedarfsmesszahl ./. Steuerkraftmesszahl = Schlüsselzuweisung
Die Differenz aus der o.a. Bedarfsmesszahl und der Steuerkraftmesszahl ergibt die Schlüsselzuweisung und damit den Betrag, welches das Land der Kommune zusätzlich zur Verfügung stellt, so dass die angenommene Bedarfsmesszahl zur Finanzierung der Aufgaben insgesamt erreicht werden kann. (Neben der Schlüsselzuweisung bekommen die Gemeinden weitere Zahlungen, die für die Wahrnehmungen der Aufgaben zweckgebunden sind und ggf. weitere Einnahmen, z.B. aus Beteiligungen, wie einem kommunalen Energie- oder Wasserversorger oder anderen Firmen oder aber aus der Erhebung von Gebühren.)
Die Schlüsselzuweisung ist quasi eine Art „Sozialhilfe“ an arme Kommunen. Eine Erhöhung der Gewerbesteuer führt zu einer Erhöhung der Steuerkraftmesszahl und damit zu einer entsprechenden Reduzierung der Schlüsselzuweisung. Ferner ist anzumerken, dass eine Erhöhung der Gewerbesteuer erst dann zu einem positiven Effekt imkommunalen Haushalt führt, wenn die Einnahmen der zusätzlichen Gewerbesteuer die derzeitigen Schlüsselzuweisungen der Kommune übersteigen und damit die Steuerkraftsumme insgesamt größer ist Gewerbesteuerals die Bedarfsmesszahl. Ist dies nicht der Fall, führt eine Erhöhung der Gewerbesteuereinnahmen nur zu einer gleichzeitigen Reduktion der Schlüsselzuweisungen, da diese eine Ausgleichsposition zur Erreichung der Bedarfsmesszahl darstellt. Der Zusatzeffekt hinsichtlich Einnahmen wäre somit saldiert (nahezu) gleich null. Folgende Abbildung zeigt diese Situation an zwei Szenarien. Angenommen es siedelt sich ein Unternehmen in einem Gewerbegebiet an mit folgenden Daten: Neben der Schlüsselzuweisung bekommen die Gemeinden weitere Zahlungen, die für die Wahrnehmungen der Aufgabenzweckgebunden sind und ggf. weitere Einnahmen, z.B. aus Beteiligungen, wie einem kommunalen Energie- oder Wasserversorger oderanderen Firmen oder aber aus der Erhebung von Gebühren. Wenn der Gewerbesteuer-Hebesatz der Kommune = dem Anrechnungshebesatz, der für die Ermittlung der Schlüsselzuweisung imkommunalen Finanzausgleich genommen wird
Erhöhung Steuerkraftmesszahl = 100% Reduktion Schlüsselzuweisung. Ansonstenbleibt der Kommune eine Einnahme (wenn der Hebesatz Anrechnungshebesatz).4 unter Beachtung von Fußnote 4. Damit würde das Unternehmen Euro 825.332,- an Gewerbesteuer zahlen die Kommune zunächst Euro 675.469,- erhalten (nach Abzug der Umlagen; Position 10, Abbildung 4). Für den kommunalen Finanzausgleich wird für die Anrechnung der Gewerbesteuer gem. nicht der reale Hebesatz der Kommune genommen (hier A = 380%), sondern ein allgemeiner „Anrechnungshebesatz“ (hier: 290%; siehe Abbildung 5). Das bedeutet: der Kommune werden Schlüsselzuweisungen von Euro 479.995,- abgezogen. Abbildung 7 verdeutlicht dies. Unter der Annahme, dass die Kommune Euro 10 Mio. Schlüsselzuweisung pro Jahr bekommt, würde ihr effektiv nur 23% der Gewerbesteuer verbleiben, welches ein Unternehmen am Ort effektiv zahlt. Hätte die Kommune z.B. keine Schlüsselzuweisung, d.h. keine „Subvention“ vom Land, würde ihr ggf. ca.51,5% der Gewerbesteuerzahlungen der Kommune verbleiben. Der effektive Anteil der Gewerbesteuer einer Kommune hängt von folgenden Faktoren ab:1. Höhe der derzeitigen Schlüsselzuweisungen 2. Wieviel höher ist der Hebesatz ggü. dem Anrechnungshebesatz? 3. Ist die Kommune kreisfrei oder kreisgebunden? Seite 4Abbildung 7Abbildung 8 Es muß ferner berücksichtigt werden, dass der kommunale Finanzausgleich immer nur die Zahlen des zwei Jahre vorangegangenen Jahres berücksichtigt. Das heißt:Wenn die o.a. Steuer in 2018 anfällt, dann wird die Veränderung bei der Steuerkraftmesszahl erst in 2020 berücksichtigt und die darauf aufbauende Veränderung der Steuerkraftsumme und damit Schlüsselzuweisung erst 2021. Effektiv ist also alles erst 3 Jahre nach dem positiven Ereignis der Steuer(!) wirksam.Seite 5Anlage – Vergleich der Szenarien